"Einfach mal machen, könnte ja gut werden" - Dieser Spruch stand in schnörkeliger Schrift auf einer Karte, die mir eine gute Freundin vor meiner Abreise nach England geschenkt hatte. "Einfach mal machen" ist für mich stets etwas leichter gesagt als getan. Der Gedanke an Veränderung löst in mir immer zunächst Unbehagen aus und ein Auslandssemester in einem anderen Land mit lauter fremden Leuten bedeutet doch eine recht drastische Veränderung im eigenen Leben.
Ende Dezember 2020 ließ ich - von diesem Unbehagen übermannt - die erste Bewerbungsfrist für ein Auslandssemester im Herbst 2021 verstreichen, obwohl ein Teil von mir durchaus von der Idee eines Auslandssemesters angetan war. Als dann die Anmeldefrist bis Mitte Januar 2021 verlängert wurde, hätte das Schicksal wohl nicht noch heftiger winken können und ich ließ mich von dem Abenteurer in mir überzeugen. Ich habe mich einfach für den Studiengang "Audio Engineering" an der Leeds Beckett University beworben - wird schon gut werden.
Nach der Zusage im Februar flogen die Monate mit Studium und sonstigen Projekten so dahin, dass ich schließlich Mitte August immer noch keine Wohnung gefunden, keinen Flug gebucht und auch sonst keine Vorbereitungen getroffen hatte, upsi... Das einzige, was ich wusste, war, dass ich in Leeds studieren würde und dass das Studium am 20.09. beginnen würde (wobei sich Letzteres später als falsch herausstellte, wannanders mehr dazu). Inzwischen wusste jeder in meinem Umfeld, dass ich im kommenden Semester in Leeds studieren würde, auch wenn der Stadtname den Meisten tatsächlich zunächst unbekannt war. Scheinbar rangiert Leeds im Ranking der bekanntesten Städte in England trotz seiner knapp 800.000 Einwohner recht weit hinter London, Oxford, Manchester & Co.
Der Abschied aus Stuttgart (wenn auch nur vorübergehend) fiel mir nicht ganz leicht. Allerdings führte er mir auch vor Augen, wie sehr es mir dort gefällt und wie viele tolle Leute ich in den letzten 3 Jahren (verdammt nochmal, das waren schon drei Jahre? Ufff... ) kennenlernen durfte. Ebenjene Leute hatten es dann auch tatsächlich geschafft hinter meinem Rücken eine Abschiedsfeier für mich zu planen, mich hinterhältig aus meiner Wohnung zu locken und mich bei meiner Rückkehr mit einer atemberaubenden Party inklusive lauter Musik, Nebel & Laser und krassem Buffet zu überraschen - es war absolut überwältigend... Am kommenden Tag verließ ich Stuttgart mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Ich verbrachte noch eine Woche in Bayreuth, die ich gut dazu nutzte meinen Planungsrückstand aufzuholen. Zwar waren mir von Seiten der Universität in Leeds noch keine Daten für eine Einführungsveranstaltung geschweige denn ein Stundenplan übermittelt worden, allerdings war klar, dass mich meine Eltern nach Leeds bringen und wir zuvor noch ein paar Tage in York verbringen würden. Wir wussten zwar nicht, was es dort alles genau zu sehen gibt, aber hatten gehört, dass zumindest York ganz hübsch sei. Also haben wir einfach mal gebucht - könnte ja gut werden.
Am 7. August ging es mit dem Auto los in Richtung Rotterdam, von wo aus wir eine Nachtfähre nach Kingston-upon-Hull nahmen. Als meine Eltern und ich der Fähre vom Schiffsdeck aus beim Ablegen zuschauten (hierbei wurde nicht wie bei AIDA "Orinoco Flow" gespielt -> enttäuschend...), hatte ich es noch immer nicht so ganz realisiert, dass es jetzt wirklich zum Studieren ins Ausland geht. Selbst als wir am folgenden Tag englischen Boden unter den Füßen hatten, als uns die Autos auf der falschen Straßenseite entgegenkamen und als die Uhren der deutschen Zeit plötzlich eine Stunde hinterherhinkten, wollte ich es noch nicht so recht begreifen.
Wir nutzten den sonnigen Tag, um noch etwas an der Küste entlangzufahren, einmal um Flamborough Head, einer kleinen Landzunge mit schöner Landschaft und Seehunden, herumzuwandern und auch noch einmal durch das von Simon und Garfunkel besungene Scarborough zu radeln. Abends kamen wir dann erschöpft aber voller toller neuer Eindrücke in unserer Unterkunft in York an.
Jetzt war ich plötzlich in England, doch ein gutes Stück von zu Hause weg. Zwar ist es schade, die bekannte Umgebung mit all meinen Freunden vorerst mal nicht mehr zu sehen, andererseits sind es auch "nur" 4 Monate, in denen ich wahnsinnig viele coole Dinge erleben werde und einiges lernen werde. Ich werde einfach mal machen, dann wird das richtig gut werden :)